Foxys Wohnung ---->
Die Nacht war angenehm frisch, in Anbetracht dessen, dass es Anfang August war - doch so sehr Patrick das auch begrüßte, wusste er gleichzeitig, was das für seinen späteren Abend bedeuten würde: In einer knappen Lederweste und eng anliegender Hose am Straßenrand stehen, frieren und hoffen, dass ihn bald irgendein Penner mitnehmen würde, nur damit er der Kälte entkommen konnte. Es war höchste Zeit, sich wieder eine passende Jacke zu besorgen. Na ja, wenn er den Rest des Monats ordentlich sparte, konnte er sich ja vielleicht eine leisten, dann würde er diesen Herbst und Winter nicht ganz so frieren. Und diesmal würde er sie auch nicht einfach im Auto eines Kunden liegen lassen, ganz egal, was der Typ sich erlaubte. Gut, damals war er auch noch unerfahren gewesen und hatte ernsthaft geglaubt, so etwas wie Stolz würde ihn in diesem Job weiterbringen. Wie sagte man da so schön? Selbst Schuld.
Es dauerte ungefähr eine halbe Stunde, bis er endlich an seinem Haus angekommen war - oder vielmehr, was davon übrig war. Man sollte meinen, dass das Dunkel der Nacht den grauenhaften Zustand der Villa verschleiern würde, aber genau das Gegenteil war der Fall. Das gedämpfte Licht, das Cismar um diese Uhrzeit ausstrahlte, schien durch die Überreste der Fensterrahmen, nur um von den durch das Feuer dauerhaft schwarz gefärbten Mauerresten verschluckt zu werden. Unter Patricks Stiefeln knirschte der Schutt, als er - so leise wie möglich - durch die Ruine in Richtung Sturmkellereingang trat. Die stählerne Tür wollte zunächst nicht nachgeben, schwang dann aber doch nahezu geräuschlos auf und gewährte Patrick den Eintritt in das Reich, was er und sein Bruder seit nunmehr fast drei Jahren ihr Zuhause nannten. Dumpf schlug die Tür hinter Patrick wieder zu, und er tastete sich im Dunkeln in ihren Wohnraum hinunter, wo er ohne große Mühe den Lichtschalter fand, der die von der Decke hängende Glühbirne anschaltete.
Ein schmales Lächeln stahl sich auf Patricks Gesicht. Danny lag friedlich auf dem Sofa zusammengerollt, im Arm hing schlaff sein abgeliebter Teddy, den Patrick aus ein paar Strümpfen und Stofffetzen für ihn zusammengebastelt hatte. Er sollte vielleicht mal beizeiten die Füllung erneuern. Leise legte Patrick die Schachtel mit den Cupcakes auf den Tisch und schlüpfte aus seinen Stiefeln, um über den gemauerten Steinboden zu Danny zu huschen und die Decke auf dem Älteren zurechtzurücken. Er wollte ja nicht, dass sein Bruder fror. Sein Bruder... Einen Moment lang hockte Patrick sich neben ihn und betrachtete ihn. Die rotbraunen Haare hingen ihm so ins Gesicht, dass an der Seite seines Kopfes die kreisrunde Narbe freilag, in die einst die Kugel eingedrungen war. So, wie sie vermutlich auch Foxys Bruder getroffen hatte. Tränen stiegen in Patricks Augen. Es war nicht fair. Leute wie Danny und dieser Jaspis, die nur das Beste für Leute wollten, die diese Stadt noch irgendwie retten wollten, wurden so grausam bestraft, und Leute wie dieser rote Teufel und die Attentäter kamen unbescholten davon, ließen nur die Scherben für die Familien zurück. Er wünschte sich, dass es bei Foxy anders sein würde, ehrlich. Dass er die Attentäter zur Strecke bringen würde, und das sein Bruder aufwachen würde, gesund und geistig voll da. Patrick schniefte leise, und zum ersten Mal seit langem, kam er sich klein vor. Was konnte er schon tun? Wie konnte er ihnen helfen, Foxy, Danny, irgendjemandem? Nichts. Nichts war die Antwort. Für jeden Mann, den er zur Strecke brachte, wurden drei Neue auf die Menschheit losgelassen, um Leben zu zerstören. Er war kein Held, nicht so wie Danny, wie Dragon, der ganze Banden hochgehen ließ und dafür groß geehrt wurde. Er war nur ein kleiner Junge mit einem Feuerzeug.
Die Decke raschelte ein wenig, als Danny sich umdrehte, ein glasiges Auge öffnete und Patrick anstarrte. "Pad?", murmelte er, noch schlaftrunken. Rasch wischte Patrick seine Tränen weg, lächelte seinen Bruder an und küsste ihn auf die Stirn. "Alles gut. Schlaf weiter, Großer.", wisperte er ihm ins Ohr, worauf Danny grunzend die Augen wieder schloss und ins Reich der Träume entschwebte. Die Unterbrechung war Patrick gerade recht gekommen. Er hatte sich wahrlich genug selbst bemitleidet. Zeit, sich umzuziehen, und seinem täglich oder eher nächtlich Brot nachzugehen.